„Lehmann-Protzen-Stadt“ oder ,,Colonie A-A-A-A“
Wenn det nach de Investoren ihre Namen jejangen wär‘, dann hätte de Victoriastadt oder det Kaskelkiez, wie unsereiner det heute eher nennt, so heißen können. Eijenartig, dass de Vornamen der Männer alle mit „A“ anfingen: Anton, Albert, Adalbert, Albrecht. De Jebrüder Anton und Albert Lehmann hatten 1867 de „Rummelsburger Woll- und Plüschfabrik“ an de Hauptstraße 5 jejründet und wohl Michael und sein‘ Sohn Adalbert Protzen, von „M. Protzen & Sohn“ Teppichfabrik, kennenjelernt, die schon seit 1865 off Stralau maschinell Teppiche produzierten. Also, de Teppiche und de Wolle machten natürlich de Arbeeter, und de Kapitalisten haben den „Faden der Profitsteijerung“ jesponnen. 1871kooften die Lehmann-Brüder 21 Hektar Rummelsburger Land, wat wohl wenig kostete, weil ’n paar Jahre vorher jrade man 56 Bewohner jezählt wurden; det dafür aber am Wasser lag und de Ostbahn hatte, allerdings noch ohne Haltepunkte… Und de Lehmanns und der Adalbert Protzen spürten de Zeichen der Zeit: Den jewonnenen Kriej jejen Frankreich, der Preußen, respektive dem neuen Deutschen Reich, Milliarden bescherte, dass Berlin nun Reichshauptstadt jeworden war, jeändertet Zoll-und Stadtrecht, wat de Jebiete außerhalb der Stadtmauern interessant machte, und se jründeten 1872 jemeinsam de „Berliner Cement AG“. Als Bauleiter stellten se det vierte „A“: Albrecht Türrschmidt ein, und der parzellierte, vom damaligen Kietzer Feldweg aus (heute Nöldnerstraße) die 21 Hektar, und dort wurden Arbeiterwohnungen jebaut, um den Lohn, den se an de Arbeiter auszahlten, gleich wieda als Miete zu kassieren!
Türrschmidt sparte der Firma gleich noch de Ziegel und baute erstmals aus Beton, und de stadttechnische Erschließung ließ er gleich janz weg. De Bewohner mussten sich lange aus einer Gemeinschaftszisterne det Wasser holen. Und weil Berlin nun ooch noch „Kaiserstadt“ jeworden war und weil de Queen Victoria von England 1876 ooch Kaiserin von Indien wurde und außerdem ihr Mann een deutscher Prinz war, nannten se ihre Schöpfung „Colonie Victoriastadt“. Und Mieter sollte det ja jenuch jeben, denn sie waren mit ihre Fabriken und ihre Arbeeter nich alleene! Da warn seit 1863 de Arbeeter vonne „Weddesche Kalkwerke“, Hauptstraße 13, und seit 1865 de Arbeeter vonne „Tonwarenfabrik und Dampfschneidemühle“, Hauptstraße 13.
Seit 1866 die vonne Färberei von „Thiele & Seeger“, Hauptstraße 12. Na und seit 1867 de Arbeeter vonne Eiswerke (später ’ne AG), Hauptstraße 1, mit eenen Ablejer in de Hauffstraße (der bis 1979 Stangeneis produziert hat!). Und ab 1867 de Arbeeter vonne „Gesellschaft für Anilinfabrikation“, Hauptstraße 9–11. Off Stralau kamen zu de Arbeiter vonne Teppichbude, 1881 die vonne „Palmkernöl- und Schwefelkohlenstoffwerke Rengert & Co“, Alt-Stralau 44–45 und ab 1883 die vonne „Jutespinnerei und -weberei“, Alt-Stralau 54–55, und die vonne „Schaarschuhsche Brauerei“ (später Engelhardt), Krachtstraße 9–10. 1888 de Arbeeter vonne „Maschinenfabrik Grauert“ und die vonne Werft der Spree-Havel-Dampfschifffahrtsgesellschaft „Stern“. Ab 1889 die vonne Bootsfabrik der Familie Deutsch, vonne „Stralauer Flaschenfabrik“ und die vonne Mörtelwerke von Gustav Weidner.
De „Gründerjahre“ setzten die Kapitalisten in und um Berlin so richtich in Bewejung! Aba keene Sorje: De Arbeiter gerieten ooch in Bewejung! Zum Beispiel im Arbeiter-Turnbund. Apropos: „Arbeiter-Bewegung“: Langsam jloob ick, det de Kapitalisten den Fischzuch jar nich jesponsort hätten, im Jejenteil, se noch Einfluß jenomm‘ ham, off den Stralauer Ratsvorsteher: „Keene Investitionen, wenn det Tohuwabohu nich offhört!“ Und außerdem roch det in Deutschland eh schon stark nach Bismarck sein Hering, und sein Sozialistenjesetz ließ schon jrüßen…
Heli Lichtstral
13. Mai 2011