Wie det Berlinisch „Kulturjut“ wurde.
Jetze brauchen Se aber mal Phantasie. Ach, Phantasie ham’se?? Na klar, sonst wär’n se ja nich bei Traktor Boxhagen aktiv… Also, stell’n Se sich ma vor, Sie wären bitterarm. Wat, dafür brauchen Se keene Phantasie..??? Warten Se ab. Und stell’n se sich weiter vor, Sie lebten vor jut 200 Jahren. Und stell’ne Se sich vor, Sie wollten mit ohne Jeld ooch ma Kultur erleben… Nich immer nua mit de Kumpels in’ne Eckkneipe beim billjen Fusel de villen Kinder und de Olle vajessen… Nee, Fernsehen jab et nich! Und in de Königlichen Oper jabs nur Wieland Backes, wenn Se vastehn, wat ick meene… Keen Mario Barth oder Kurt Krömer. Nee, wie jesacht, nur von Feinsten! Also „Von und zu Juttenberch“, wie der Berliner sacht….
Na, da wer’n Se doch sauer off Dauer, wo doch in Frankreich der Adel schon janz kleenlaut war und olle Napoleon off Französisch in Berlin ooch n paar Reformen für’t Volk hinterlassen hat…
Und da kommt jenau am 18. Oktober 1821, in de Oper Untern Linden „Der Strahlower Fischzuch“ off de Bühne! Wo de Sänger und Schauspieler det erste Mal jenau so sprechen wie Sie und Ihre Leute! Watt denen, die zumeist aus’s n Auslande kamen, nicht leicht fiel! (und um Preussen herum war ville Ausland) Eene Schauspielerin, meinte sojar: „Es lohne gar nicht, solche Rolle zu studieren, das Stück würde doch nicht zuende gespielt.“ Aba weil natürlich det Jeld von Unsereins .. „auch kein Blei ist“…fühlte man sich von Zeit zu Zeit bewogen, dem Volke seine „dramatische Tafel“ zu decken.
Da jeh’n Se natürlich hin! Und stehen sich um de Oper rum, bis zu de Hochschule und Bibliothek, de Beene in’n Bauch und komm’ nich rin! Denn de Reichen und Adligen ham alle Karten vorher offjekooft! Obwohl der Julius von Voss det Stück eijentlich jenau für Unseresgleichen jeschrieben hatte…
Na, off jeden Fall wurde zuende gespielt! Und „Der Strahlower Fischzug“ und sein Verfasser Julius von Voss über Nacht berühmt! Und det Stück durch den Druck der Massen an den Kassen (und den Buch-Druck) noch so offte jejem, det ooch Sie det eines Tages ham sehen könn’..
Julius von Voss hatte der Berliner Posse im Oktober 1821 sozusagen ein’n Fuss in de Türe der Hochkultur jestellt! Und det Berlinisch war von de Bühne nich mehr wegzudenken! Und in Berlin kam es bis zum Ende des Jahrhunderts zu unjezählijen Theatergründungen. Damit ist Julius von Voss sozusagen ooch der jeistige Vadder von Kurt Krömer und Mario Barth!
Un det iss doch wat! (ick dachte imma, so eener wie Mario Barth hat nie n Vadder jehabt..) Woll’n Se Julius von Voss mal de Ehre erweisen? Dann brauchen Se sich nich zu beeilen! Er liegt seit 1832 in schönster Ruhe in Mitte unter uns: Off’n Ollen Jarnisonsfriedhof, an de Kleenen Aujuststrasse. Und wenn Se nicht wissen sollten, wat der Stralauer Fischzug war.. denn muss Ihnen det nich peinlich sein! Lesen Se einfach mal die nächste Ausgabe…
Berlin, 13. März 2011
Holm Gärtner