San Siro, Wembley, Hauffgrund. In einem dieser drei Fußballtempel wird Zlatan Ibrahimovic in den Ruhestand verabschiedet, in einem anderen wird eine Scheichtruppe zum Pokalsieger gekrönt und in wieder einem anderen wird wahrlich Historisches gefeiert.
Freitagabend, Flutlicht, kühles Bier und volle Ränge. Das Feld ist bestellt für die Ernte einer ganz besonderen Saison. Schon vor dem Anpfiff ist klar, dass die pflügenden Mannen um Taktikfuchs Pupetta an diesem Abend die Meisterschale in die Höhe stemmen dürfen. Mit einer weißen Weste und einem Sieg im letzten Saisonspiel können jedoch noch zwei bahnbrechende Rekorde eingefahren werden. Doch dazu später mehr.
Coach Pupetta, wie immer geplagt von der Qual der Wahl mit seinem Luxuskader, schickt für den letzten Tanz der Liga folgende Startelf auf den Rasen: Krake zwischen den Pfosten, die altbewährten innen verteidigenden Betonmischer Ackerdemiker und Seelenflüsterer, flankiert von Kapitän Rensenbrink und dem unermüdlichen Manne. In der Mittelfeldschaltzentrale Grunge, im Zentrum ergänzt durch die starke Grinsekatze und den wie gewohnt unaufhaltsamen C-Dog. Die Flügelzange aus der Maschine und Sokrates, vorne Hulk. Von der Bank die pure Qualität: Falco, Kannibale, Sphinx, Tokjaer, De Bräune, Zar, Jakobiner.
Neben der Aussicht auf die Geschichtsbücher treibt die Mannschaft an diesem Abend auch der Wunsch an, dem Coach ein tüchtiges Geburtstagsgeschenk zu kredenzen. Ausgerechnet am Saisonfinale feiert Puppetta seinen Jahrestag. Gefragt nach seinem Alter – ein wohl gehütetes Geheimnis – munkelt man, er sei nun qualifiziert, für die Kollegen auf dem Kleinfeld aufzulaufen. Der ganze Verein hofft jedoch, dass er weiterhin seinem Traineramt die Treue hält.
Der heutige Tanzpartner – die in der Rückrunde stark aufspielenden urbanen Sporisten – würdigen den Sportsgeist mit einem Spalier für den kommenden Meister, eine schöne Geste. Ebenfalls nett und unangerührt, die vom Gegner vor dem Anpfiff bereitgestellte Kiste Bier in der Traktorkabine.
Die Feldarbeiter, unbeeindruckt von der gegnerischen Charmeoffensive, beginnen konzentriert wie eh und je. Hinten stabil, vorne gefährlich, krönt die Grinsekatze die Anfangsphase mit einem Gedicht eines Fernschusses. Rechtes Halbfeld, linker Knick, herrlich! Etwa 10 Minuten später erobern Manne und Maschine im vorbildlichen Gegenpressing das Leder auf der rechten Außenbahn. Die Maschine lässt es sich nicht nehmen, den ballverlierenden Urbanen noch mit einem Beinschuss zu düpieren, bevor er mustergültig auf den wie gewohnt kaltschnäuzigen De Bräune in die Mitte legt. 2:0 Pausenstand.
In Hälfte zwo lässt Tinto ebenso wenig anbrennen. Das liegt zum einen an dem unüberwindlichen Abwehrbollwerk, das sich unerbittlich gegenüber dem respekteinflößende urbanen Mittelstürmer mit der Nummer 13 zeigt. Ein Biest, das sein imposantes Kampfgewicht erstaunlich flink in Bewegung setzt und dabei auch nicht vergisst, das Spielgerät artgerecht zu streicheln. Doch auch diese Naturgewalt wirkt wie ein laues Lüftchen gegen die überlegene Athletik des Ackerdemikers und die behände den Ball wegstochernden Haxen des Seelenflüsterers. Zum anderen sind da die beiden Außenverteidiger, sprintend wie Jungspunde, abgeklärt wie Metzgermeister. Guardiola wäre inspiriert, hätte er gesehen, wie sich die Traktor-Kette leichtfüßig aus diversen Pressingbemühungen der Urbanen befreit. Hartnäckig halten sich die Gerüchte über Abwerbeversuche aus Manchester, allesamt erfolglos. Weiß doch ein jeder Fußballvernarrter: einmal Traktorist, immer Traktorist.
Besonders hervorzuheben ist an diesem Abend jedoch der feine Fuß der Krake. Die Hände nicht allzu viel gefordert, glänzen die Stiefel des Seeungeheuers mit souveränem Aufbauspiel. Gekrönt durch einen diagonalen Geniestreich über 60, 70 vielleicht 120 Meter, direkt in den Fuß der Maschine. Ein langer Ball, der einen Ederson erblassen lässt. Die Maschine weiß um die Verantwortung, eine solche Vorlage angemessen zu verarbeiten, und schiebt lässig ins lange Eck ein.
Zum 4:0 verhilft ein zielstrebiges Zusammenspiel von Hulk, Kannibale und dem gegnerischen IV. Den 5:0 Endstand stellt wiederum die Maschine nach starker Vorarbeit von Gabor her. Mit dem sich nähernden Abpfiff erreicht die Stimmung auf den Rängen ihren Höhepunkt. Die schiere Menge an treuen Fans zeigt sich im mittlerweile nur noch lauwarm ausgeschenkten Gerstensaft. Die gekühlten Bestände sind im Spielverlauf gründlich dezimiert worden.
Der Abpfiff ertönt und auf wie neben dem Feld liegen sich die Menschen in den Armen. Jubeltrauben, nicht enden wollendendes anerkennendes Schulterklopfen, verdientermaßen stolze Blicke und ein in die Höhe des Nachthimmels geworfener Trainer hinterlassen das ein oder andere mit Freude befeuchtete Auge. An dieser Stelle soll noch einmal besonders die überragende Unterstützung der Fangemeinde erwähnt sein. Die Freitag um Freitag zum Hauffgrund pilgernden Massen sind ein entscheidender Faktor für die bis dato nun zweijährig andauernde Siegesserie in heimischer Stätte.
Die Saison 2022/2023 hält für immer Einzug in die Annalen des Berliner Fußballs. Die Traktoristen feiern nicht nur den ersten Meistertitel auf dem großen Felde in der höchsten Spielklasse, die der Freizeitfußball aufzubieten hat. Sondern auch eine Fabelrekordsaison, die ihresgleichen sucht. 67 von 72 möglichen Punkten, 87:12 Tore. Keiner Mannschaft in der stolzen 50-jährigen Geschichte des VFF ist es jemals gelungen, ein solches Torverhältnis, geschweige denn eine solche Punkteausbeute ins Trockene zu retten.
Zu Recht feiern Fans und Mannschaft diese Großleistung bis in die späten Morgenstunden. Nach dem Pokalfinale am kommenden Samstag geht es in die wohl verdiente Sommerpause.
Wir können jetzt schon kaum erwarten, dass der Ball in Berlins schönster Spielklasse wieder rollt. In der nächsten Saison werden die Feldarbeiter noch eine Schippe drauflegen, denn das Ziel des inoffiziell ausgerufenen 4-Jahresplans ist noch lange nicht erreicht.
Es grüßt aufs Herzlichste,
Ihr Filou