27.01.2024 BSG KAB e.V. – Traktor Boxhagen 1:4 (1:1)

Ende Januar hängen die Fahnen am Hauffgrund auf Halbmast. Das Abschiedsspiel unseres auf und neben dem Platz unverzichtbaren Feld-Doktors sowie die epochale Serie von nunmehr 2 (in Worten: Zwei) sieglosen Spielen in Serie sorgten vor dem Anstoß für traurige Mienen im weinroten Lager.


Sollte der glorreich von Sieg zu Sieg preschende Traktor, der uns Liebhaberinnen und Liebhabern und allen Berlinern, ach was, allen Deutschen, Europäern und Erdenbürgerinnen sowie Erdenbürgen im letzten Jahr so viele Glücksgefühle beschert hatte, jetzt wirklich ins Schlingern kommen?

Diese Frage zu beantworten galt es an gleichem Orte, an welchem zwei Wochen zuvor von elf unerschrockenen Recken zu nachtschlafender Stunde ein Pünktchen von der Weberwiese entführt worden war.

Zu einer glücklicherweise (für die nicht allzu kegelwütigen Akteure) moderaten Anstoßzeit um 13:00 Uhr trafen sich unter Anleitung des akribischen Coaches Detta Pupetta folgende Agrartechniker und Berufslandwirte, um den phrasenumwobenen Bock umzustoßen und gegen das Schlusslicht der Freizeitverbandsliga den lange ersehnten Dreier einzufahren und das beginnende Murren von erfolgsverwöhnten Edelfans an Ostberliner Stammtischen ebenso wie in der kritischen Lokalpresse im Keim zu ersticken:

Krake, Feld-Doktor, Ackerdemiker, Samweis, Coronas Rippe, Grunge, Sokrates, Tornado, Kannibale, Maschine, Hulk, Reißer, Alex Jr., Der gute Geist von Boxhagen (dazu später mehr) sowie ein gesundheitlich schwer angeschlagener, aber dennoch bestens gelaunter De Bräune, der im Zuge der nachfolgend beschriebenen Ereignisse zum Schutze seiner Gesundheit und der gegnerischen Tornetze allerdings nicht auf dem Feld mitmischte bzw. -erntete.

Schon früh im Spiel zeigte sich an der bodenständigen Spielanlage der Hausherren im altbewährten 7-2-1-0, dass nicht nur auf den zahlreichen umliegenden Baustellen heute die ATIKA 145 S – DS auf Hochtouren laufen würden. Die weinroten Gesellen mussten sich auf diese mittlerweile von vielen gegnerischen Mannschaften praktizierte Marschroute zunächst einstellen, kamen dann aber vor allem durch schnelles flaches Kurzpassspiel immer wieder zu Torannäherungen, die schließlich in einem von Sokrates mit stoischer Ausdauer im Nachsetzen erzwungen Ballgewinn und einem satten Innenseitenhalbvolley in die lange Ecke mündeten. 1:0 Tinto.

Es folgte eine starke Phase mit einigen mehr oder minder zwingenden Chancen und einem Roberto-Carlos-Gedächtnisfreistoß, der aufgrund einer zu starken Rotation am Ende dem eigentlich nur aus Verzweiflung abgesprungenen Heimtorhüter noch in die Arme flog. Von den Gastgebern war offensiv nichts, aber wirklich gar nichts zu sehen, hier der Mitschnitt eines Zuschauers, der die Geschehnisse in der Gästehälfte exemplarisch für das gesamte Spiel dankenswerter Weise in der 36. Minute festhielt (https://www.youtube.com/watch?v=joAcr3T9CNM). Ohne Chancen im Minutentakt herauszuspielen, zeigte Tinto sich, wie aufgrund der Expertise auf diesem Gebiet nicht anders zu erwarten, deutlich feldüberlegen.

Hier sollte heute doch nun wirklich nichts anbrennen.

Oder?

1:1

Und Schwuppdiwupp war das diese Saison ohnehin bereits prall gefüllte Kabinett der ulkigen bis grotesken Gegentore um ein weiteres Gustostückerl ergänzt: Ein Allerweltsfoul in der gegnerischen Hälfte kurz vor dem Mittelkreis war vorausgegangen, der gegnerische Spieler hatte sich den Ball geschnappt, großzügig vorgelegt und dann staubtrocken aus der eigenen Hälfte in der weinroten Reuse untergebracht.

Hoppla.

Zugegebenermaßen war das wirklich eine geistesgegenwärtige und fußballerisch (Schusstechnik) sowie meteorologisch (Rückenwind) einwandfreie Aktion des KAB-Spielers; bitter für die Traktoristen war es trotzdem. Mit dem 1:1 ging es dann in die Pause.

Im zweiten Durchgang änderte sich dann wenig am Bild: Tinto war um Spielkontrolle und das Herausspielen klarer Torchancen bemüht, tat sich allerdings schwer damit, ersteres in zweiteres umzuwandeln. Als sich der Zeiger der Stundenmarke näherte, kippte die Statik des Spiels durch die gelb-rote Karte für einen KAB-Spieler nach überhartem Einsteigen gegen Coronas Rippe. Es fiel der Heimmannschaft zunehmend schwer, die Kompaktheit und Giftigkeit aus dem bisherigen Spiel aufrechtzuerhalten und der Ballbesitz der Weinroten verschob sich mehr und mehr in Richtung des Gehäuses der Heimmannschaft. Besonders den sonst so elegant und schnörkellos Gegner verteidigenden wie Wände verputzenden Großfeldtraktoristen des Jahres, Ackerdemiker, hielt nichts mehr in seinem natürlichen Habitat und er zeigte sich ein ums andere Mal technisch höchst ansehnlich nahe des gegnerischen Tores.

So auch in der 75. Minute, als er einen weiteren Vorstoß inklusive eines sohlenlastigen Dribblings nahe der Grundlinie mit einem delikaten Zuspiel auf die lauernde Maschine garnierte, die ganz angesteckt von dieser jogabonitoesken Darbietung des Kapitäns und Skippers gar nicht anders konnte, als den im Strafraum heranrauschenden Gegner frech zu tunneln und das Leder in der kurzen Ecke zu versenken wie einen ausgedrillten Bachsaibling in den Maschen ihres Watkeschers. Damit war auf spielerisch anspruchsvolle Weise der Bann gebrochen und die Angriffe Tintos rauschten nun im Minutentakt auf die bemitleidenswerte Hintermannschaft der Hausherren zu.

Es spielen sich mitunter übersinnliche Dinge im Umfeld der fleißigsten Feldarbeiter Berlins ab. Wenn die Reihen der Mannen Pupettas sich aufgrund ausgedehnter Auslandsaufenthalte, “beruflicher” Verpflichtungen oder altersgemäßer Malaisen lichten, weht ein warmer Hauch durch die beschauliche Hauptstadt und Der gute Geist von Boxhagen erscheint zum Dienste. Man sieht ihn nicht in Trainingseinheiten oder unbedeutenden Testspielen, er tut sein gutes Werk ausschließlich in Pflichtspielen; zumeist am Wochenende auf den Sportplätzen dieser Stadt. Wird er gerufen, kann man sich in Gewissheit wiegen, dass er erscheinen und sein Tagwerk, das Toreschießen, zuverlässig verrichten wird. Mündlich überlieferten Sagen aus dem Hochmittelalter geht hervor, dass der gute Geist von Boxhagen noch nie einen Fuß aufs satte Grün gesetzt hat, ohne sich im entsprechenden Spiel mindestens einmal in die Torschützenliste einzutragen.

Wie es das Schicksal so wollte, verschlug es den guten Geist auch an diesem Samstag ins kühle Friedrichshain und so war es nur folgerichtig und für keinen der Anwesenden überraschend, dass er in der 80. Minute nach einem fein gechippten Steilpass des Ackerdemikers und einer an Kapitän Tsubasa und seine Superkickers erinnernde mehr geschossene als geflankte Tigerflanke unseres umtriebigen Kannibalen anmutig durch den gegnerischen Strafraum schwebte und das Spielgerät zum 3:1 wuchtig in die lange Ecke einnickte (Vahid Hashemian gefällt das).

Und weil wir alle diesen Sport so lieben weil er uns immer wieder mit Geschichten versorgt, die so natürlich nur der Fußball schreibt, kommt der krönende Abschluss erst noch:

Er war über 2 Jahre der Arzt, Spieler und Freund, dem die Trainer, Mitspieler, Fans, Patientinnen und Patienten vertrauten. Als vielseitiger Abwehrexperte mit exorbitanter Zweikampfführung, hervorragender Physis und bemerkenswertem taktischen Geschick reichlich vom lieben Fußballgott beschenkt, war es ihm in den vergangenen zwei Jahren nie vergönnt gewesen, ein Tor für die weinroten Farben zu erzielen.

Bis zu 84. Minute seines Abschiedsspiels, da schnappte sich unser Feld-Doktor nämlich den Ball in einem markigen Zweikampf an der Strafraumgrenze und beförderte das Leder mir nichts, dir nichts mit einem gewaltigen Vollspannstoß so unhaltbar in den linken Torwinkel, dass unmittelbar die Frage aufkam, ob unser scheidender Heiler nicht jahrelang durch seine defensiven Aufgaben in seinem offensiven Wirkungsdrang gehemmt wurde. Diese Frage werden wir hier nicht beantworten können. Müssen wir auch nicht (und wollen wir vielleicht auch gar nicht). Der Jubel jedenfalls kannte anschließend keine Grenzen und dieser wunderbare Sport war wieder um eine Geschichte reicher, die so wirklich nur der Fußball schreiben kann. Bei der Auswechslung des Feld-Doktors kullerte berechtigterweise das eine oder andere weinrote Tränchen hernieder und düngte den fruchtbaren Friedrichshainer Boden, auf dass weitere Dramen und Legenden auf ihm gesät werden mögen und in Zukunft prächtig gedeihen.

Dieser Arbeitssieg mit allen Höhen und Tiefen, die der Amateursport zu bieten hat, gibt dem Traktor jetzt hoffentlich die nötige Sicherheit, um mit einer breiten Brust und einem gestärkten Zusammenhalt in die entscheidenden nächsten Wochen zu gehen.

Es verbleibt der geneigten Leserschaft hochachtungsvoll,

Ihr Filou