16.04.16 | FC British Lions I – Traktor 1:1 (0:0)

Die ist nicht die Geschichte eines lustvollen Scheiterns. Nein, dies ist die Geschichte der Matrjoschka mit den 5 Herzen:

Traktor zu Gast beim amtierenden Meister. Und in den Frühlingsbeeten im Norden von Charlottengrad fand Ihr Autor, schnöde und achtlos unter die schneeweißgrün erstrahlenden Birken geworfen, eine russische Holzpuppe. Arg zerzauselt der Lack, stumpf und aufgeschwemmt das Holze. Jedoch anmutig und von historischem Wert. So geschehen Samstag früh auf dem Weg zum Spandauer Damm; eingesteckt das Teil.

Die Blauen noch mit Titelverteidigungsambitionen, Tinto in mißlicher Lage, sowohl was Mannschaftsstärke (1 Wechsler) als auch Qualität (weiterhin viele wichtige Traktoristen im Krankenstand) anbelangte. Und also griffen die Löwen an, Boxis in sangesfreudiger Verteidigungshaltung. Mit dem Terletzki diesmal im Kahn – Motto: Wenn ich weiß, wie man eine Ecke direkt verwandelt, kann ich mir das allemal auch aus Torwächtersicht betrachten… Das war der Moment des Extrahierens des ersten Herzens aus der Matrjoschka: „Alternativen her!“ Klasse Idee. Nun, der Spielmacher normannisch-angelsächsische wurde knorke vom Saphir markiert und da ja nun niemand gerne unter dessen Radar agieren möchte und es ganz prinzipiell schwierig ist, dem „Titan del bronce“ zu entkommen, hatte der Kopf der Lions im ganzen Spiel nur eine, dann jedoch entscheidende Chance: Nach ordentlichem Arbeitsnachweis in Halbe 1 von Traktor knipste der Zehner in Minute 57 mit feinem Lupferli die Gastgeberführung heraus. Die Entstehungsgeschichte nahm ihren Anfang am rechten britischen Spielfeldrand und die Knipserei dann war die Krönung eines beeindruckenden Spielzuges. Hier wurde die zweite Haut der Puppe geöffnet und das nächste sich darin befindliche Herz bot das Thema: „Arbeiten ohˋn Verdruss!“. Und also gaben die Weinroten nicht etwa klein bei, sondern zelebrierten weiterhin einen aufopferungsvollen Defensivpart, geisterten sich in den Kampf, fingen an, eine bestimmte Ahnung des Kommenden zu kriegen. Und wie aus dem berühmten Nichts tütete der Soziologe einen Konter nach Abschlag des Boxenwächters konkret im rechten langen Eckchen ein, hallo?! Ab dieser 61.min jedoch tauchte gigantisch schwermütig, also typisch russisch, folgende Frage auf: Wie sollen wir dieses Remis wohl halten, können wir mit dieser Kapelle eine lange Abwehrschlacht erfolgreich gestalten? Die Boxhagener also gebrauchten zum Zwecke der Bündelung ihrer Kräfte das dritte Herz, welches ihnen den etwas schwer einzuordnenden Tipp gab: „Nehmt zweie aus euren Reihen, dann wird’s leichter!“ Alleine die beiden dienstältesten Traktoristen „Großer“ & „Phönizier“ vermochten die Sachlage genau zu erkennen und nahmen den Rat unter Zuhilfenahme des Referees an: Die ließen sich innerhalb dreier Sekunden beide mit Platzverweis vom Feld exportieren und hinterließen nunmehr 9 Traktor-Kicker ebendort. Welch eine universale Idee, welch ein frühlingsfarbener Zaubertrick! Wir schreiben Minute 63.

Die Matrjoschka verbliebene dünnere wackelte heftig und feuerte sogleich aus der vorletzten Schale das vierte Herz heraus, Motto: „Mut und Furcht!“ Boxhagener hatten nur nichts mehr zu verlieren, verwickelten die Lions in einen unübersichtlichen Kampf, boten Platz, hatten aber glühende Augen. Jeder Weinrote ließ einen gewaltigen Trotz aus seinen Adern, das Laufpensum wurde klug nach oben geschraubt und die Sekunden willig bearbeitet. Lions hier wie da am Drücker, spielten im Angesicht der sicher weiter fallenden Treffer ihrigen die Traktor-Combo komplett an die Wand, alle Wetter! Das ging eine Weile noch gut, doch wer wollte glauben angesichts der immens vorhandenen Restzeit an Erfolg für die Männer aus dem Hauffgrund? Na, unsere Matrjoschka half jedenfalls, versandte ihr fünftes und letztes Herz „Kraft und Glück!“. Um tot umzufallen nun, die großer selbstlose Geberin. Da waren immer noch 12 Minuten auf der Uhr, aber Tinto begriff langsam die Dimension des historischen Momentes und fädelte sogar noch einen Vorstoß ein – der Peter Shilton jedoch vereitelte die Chance des Soziologen gekonnt (81.ˋ).

Jetzt wurde alles abgegrätscht, abgeblockt, hinweggebolzt, aussortiert, gelöst. Der MatzeDonier und das Sammerle wuchsen förmlich über sich hinaus und die restlichen 6 Schaulis verdichteten sich zu einem diffusen Kreisel aus Schweiß und Körper – kein Durchkommen für die Löwen. Und wenn doch, zielten die entweder zu ungenau oder der Terletzki fingerte das Spielgerät an seine Heldenbrust. Unglaubliche Szenen spielten sich nun ab, die Situation nahm groteske Züge an, der Kampfesmut der Traktoristen oszillierte wie in der Hitze an einem Hochsommertag in den Seealpen, lavendelduftgeschwängert, zitrusgesäuert, eichengekorkt. Alles fieberte, fibrillierte, vulkanisierte. Eruptionen von Emotionen kochten hoch, verzauberten konkret den Berliner Freizeitfußball. Lions beschossen die Traktor-Reuse ständig und zerbrachen doch an sich selbst, fanden keine Lösung!

Abpfiff. Remis blieb bestehen. Und geht in die Geschichte ein als Nachweis der ruhmreichen Identität des Boxhagener Fußitreter-Vereines: Alles ist möglich, wenn wir nur fest zusammenstehen… Die Lions gratulierten ehrlich bewundernd zum Punkte und Tinto wußte, wem zu danken war: Nicht zuletzt der russischen Puppe. Und die 2 Deliquenten schnappten sich den Zähler prompt und brachten den spontan zum Juwelier nach Antwerpen; welcher dann trocken murmelte: „Ihr Vögel, spielt doch immer mit zweien weniger und bringt mich solcherart in Arbeit!“

Mit auf der Dresche noch Coronas Rippe, Mitch (unter dessen Mitwirkung hat Traktor noch nie verloren!), der BolzHauer und Tommy. Und dem Einsatz des 50-jährigen Stoikers darf an dieser Stelle ganz besonders gedankt werden. Wie finden Sie das, lieber Leserin? Wir finden: Wodka!