KulturJut Zwei

„Der Stralauer Fischzug“ – Kulturjut mit Pausen


Also, wenn Se schon jelebt ham in Berlin, zwischen 1780 und 1873 oda von 1880 bis 1892 oder von 1924 bis 1939 oda von 1954 bis 1962 .. oda 1996… dann ham Se den Stralauer
Fischzug noch selber erlebt und wissen, daß det nicht die Straßenbahn war, die von Stralau unta de Spree nach Treptow fuhr, sondern ’n Volksfest und brauchen nich weitalesen…
Wenn nich, lesen Se eben und trösten sich damit, dass vor 1750 keene Sau det Fest kannte. Seit 1574 feierten sozusagen nur die elf Stralauer Fischerfamilien am 24. Aujust, dass de
Schonzeit für de Fische vorbei war und daß se für die ersten Züge (der Netze), die an den Pfarrer gingen, vom Berliner Rat ’n halbet Faß Bier und ’n einfachet Essen spendiert bekamen,
janz unter sich, mit Musike und Tanz.

Bis so ab 1750 immer mehr wohlhabende Berliner ihren Sommersitz nach Stralau verlegten. Und den „Promifaktor“ brachte der Prinz Ferdinand, als er, 1780 von Friedrichsfelde
kommend, am Fest der Fischer teilnahm.Von da an wurde et Jahr um Jahr mehr zum Volksfest. Fremde Wirte, die versuchten, ihr Geschäft zu machen, wurden vertrieben. Auf der
Treptower Seite schlugen Wirte ihre Zelte auf. Seit 1810 befand sich in j e d e m Stralauer Fischerhause eine Jastwirtschaft!

Mit de Jahre reichte die „Gemeinheitswiese“ hinter de Kirche nich mehr aus, und so wurde ooch der Friedhof nich verschont. Wurscht- und Schnapsbuden, Jurkenverkäufer, Kaffe-
Küchen, Zuckerbäcker, Glücksbuden, Gaukler, Taschenspieler, Fiedler, Leiermänner und Dudelsackpfeifer jaben dem Fest det Gepräge. Man koofte sich den „Fischzugsorden“ aus
Blech oder Blei und die „Stralauer Brillen“, durch die de Welt an diesem Tage so janz anders aussah… Und de Künstler beschrieben den Fischzug in Worten und Jesängen und Bildern.
Bis Mitte des 19. Jahrhunderts hatte der Fischzug seine Blütezeit und bis zu 50 000 Besucher!

Allerdings nahm er auch immer jröbere Formen an. Eener, der dabei war, berichtet: „Die Fische der Spree waren vor dem betäubenden Geräusche in ihrem tiefsten Abgrund, und
wenn die Wirtsleute nicht die Nacht vorher welche aus der Stadt holten (die sie alsdann für frisch gefangen auftischten), so würde es an diesem Gerichte gänzlich mangeln. Für die
Freudenmädchen der Stadt ist dieses ein wahrer Jubeltag, und was alle Fischer des Landes nicht zu fangen verstehen, das fischen sie gewiss in einem Hui weg.“

1873 konnten selbst Polizei und Militär det Fest nicht mehr steuern, und so wurde et vaboten! 1880 lebte et nochmal uff. Und wurde 1892 wieder verboten. Und fand dann nur noch in de Gärten der zahlreichen Gastwirtschaften statt. Im 1. Weltkrieg war natürlich Sense. Bis sich 1924 een Verein des Historischen Fischzugs annahm und er 1931 wieder 60 000 Besucher
hatte. Und dann war wieder Krieg. Und von 1954 bis 1962 war der „Stralauer Fischzug“ dann een sozialistisches Volksfest; kam sich aber 1962 mit dem ND-Pressefest (und der neuen
Grenze) ins Jehege… Will sagen: Der Stralauer Fischzug war immer ’n Volksfest mit Pausen!

Und et is nicht jänzlich auszuschließen, daß sich die Bewohner Stralaus eines schönen Tages ihrer Traditionen besinnen und det Fest wieder zum Leben erwecken. So, wie se de Spree und den Rummelsburger See ja ooch renaturalisieren. Und vielleicht hat ja jede Stralauer Familie noch det Schankrecht.???!! Wer will schon wohnen – ohne Traditionen.!!?? Vor allem, wenn man so (t)olle hat!

Und wenn se jeden 24. Aujust bloß des Theaterstück von olle Voss uffführ’n würden. Det wär‘ doch schon mal wat! Na ja, aba wir wolln ja keenen Zoff mit de Luxus-Wohnraum-
Entwickler, wa??!!!  Obwohl, de Stralauer Fischer immer Zoff hatten mit den anderen Nutzern uff’m und im und am Wasser! Zum Beispiel mit de Eiswerke, als det Stangen-Eis noch aus’m Rummelsburger See jesägt wurde. Ja und eene Eisbude stand am Ende der Hauffstraße!!! Echt, der janze Verwaltungsbezirk Rummelsburg-Boxhagen-Stralau war mal ’n Industriestandort!!! Det Sponsoring für Traktor! Jar nich auszudenken, wenn et die Firmen alle noch jäbe.!!?? Aba denn jäbe et sicher ooch den Stralauer Fischzug noch…

Berlin, 13. April 2011
Heli Lichtstral