KulturJut Zehn

„Himmel und Erde jeteilt?“

Christa Wolf eene „proletarische“ Schriftstellerin? Viellei det noch am ehesten. Weil se dem ersten deutschen Arbeeter-und-Bauern-Staat nie offjekündigt hat. Sorry,Traktorianer, da hab‘ ick euch bisher von „proletarischen Künstlern“ fernjehalten, und denn komm ick off eenmal mit de Wolf’en. Ehrenvollet Jedenken ihr und ihrem Werk. Ihr „Jeteilta Himmel“ hat ma, wenn ick ehrli bin, als Kind mehr durch den DEFA-Film und den Schauspieler Esche berührt. Det Thema hab ick ma späta so intapretiert, det der Himmel üba uns zwar unteilbar ist, aba off Erden sich de Dinge von de Dinge teilen, wobei der Mensch als solcher janz bleim muss. Christa Wolf reagierte off die deutsche Teilung 1961. Aber wann begann diese Teilung? Off alle Fälle, seit de Proletarier ne politische Kraft darstellten, von denen een Teil der monarchistisch-bürjerlichen Ordnung den Kampf ansachte. Wat bleibt dia aba ooch übrig, wenn sich der Alltag der eenen so jestaltet und der der anderen so …

     „Jeteilte Einkommen“

Nach der amtlichen Schätzung zur Einkommenssteuer für det Jahr 1900 jab et „janz Oben“ eene hauchdünne Schicht. 159 Herren der Großbourgeoisie mit weit über hunderttausend Mark Jahreseinkommen, 60 Multimillionäre mit zweieinhalb und mehr Millionen und 9380 Familien, der vermögenden Berliner Bourgeoisie, die jährlich ihre zwölf- bis hunderttausend Mark zu verzehren hatten. Zusammen zweieinhalb Prozent aller Veranlagten! Also keen halbet Prozent, jemessen an de Jesamtbevölkerung!!! In de Mittelschicht jab et 38000 Untanehma, Jeschäftsleute, höhere Beamte und Anjestellte, beruflich qualifizierte Intellijenz, die mit einem festen Jahreseinkommen zwischen drei- und zwölftausend Mark auskömmlich leben konnten. 124000 Kleinjewerbetreibende, kleinere Jeschäftsleute, mittlere Beamte und Anjestellte wurden auf ein Jahreseinkommen zwischen 1200 und 2700 veranlagt. Aus de Arbeeterschaft kamen höchstens Vorarbeeter und Arbeeta mit Spitzenlöhnen im Jahresdurchschnitt über 1000 Mark. Und „janz Unten“ jab et über eene Dreiviertelmillion der Berliner Arbeeter mit ihre Familien, von denen 182000 Werktätige mit 75 bis 99 Mark und 200000 Werktätige mit rund 55 bis 77 Mark im Monat auskommen mussten. 218000 Menschen aba fielen als Steuerzahler janz aus, weil se nich mal det Existenzminimum hatten.

    „Jeteilte Wohnverhältnisse“

1900 war Berlin mit 63,4 km² die dichtbesiedeltste Stadt der Welt jewordn, und de Arbeetaorte des Randjebiets, Rixdorf, Lichtenberg, Rummelsburg, Karlshorst, Ortsteile von Charlottenburg und de „Insel“ in Schöneberg, waren off dem besten Weje dahin. De Statistik des Jahres 1905 sacht, det 788809 in jeweils nur eine beheizbaren Stube ohne Nebenjelass bzw. überhaupt nur in eener Wohnküche zusammenjepfercht lebten. Im Berliner Norden und Osten ballten sich de Arbeeta-Wohnmieter. Zwischen 1900 und 1906 stiegen die Einwohnerzahlen in Wedding/Gesundbrunnen um 54000; in der Rosenthaler Vorstadt um 67500; im Königsviertel um 63000, im östlichen Stralauer Viertel um 60800 Einwohner. Andererseits nahm de Wohnbevölkerung im Zentrum (Berlin-Kölln, Luisenstadt, Friedrichstadt) stetig ab. Hausbesitz und Vermieten war een kapitalistisches Jewerbe wie jedet andere. Und durch des „Dreiklassenwahlrecht“ besaßen de Hausbesitzer politische Vorrechte und nutzten ihre Monopolstellung gegen die völlig rechtlosen Mieter.

    „Jeteilter Fußball“

Der vermehrte Spielbetrieb der bürjalichen Vereine machte een einheitlichet Rejel- und Spielsystem notwendig. Der Wettspielverkehr musste orjanisiert und zentralisiert wern; Spielserien und Ligen wurden jefordert und lokale und nationale Meisterschaften anjestrebt. So machten se sich an een Dachverband, den se am 28. Januar 1900, in Leipzig, unter Teilnahme von Delejierten aus 86 Vereinen, als DFB jründeten. Dajejen lechten u.a. de Vereinigten Ofenfabrikanten, in ihrer Versammlung 1894, in Velten, für ihre Arbeeta fest, det jeder der „noch Versammlungen sozialdemokratischer Führer, speziell des Männerturnklubs, besucht (…) sich der sofortigen Entlassung aussetzt!“ Aba ooch innerhalb des Arbeeter Turn-Bundes wehrten sich ville Funktionäre jejen det Fußballspiel. Erst nach dem 9. ATB-Bundesturntag in Köln, auf dem am 1. Juni 1909 der Beschluss jefasst wurde, det sich Fußballabteilungen jründen könn’, bejann ooch hier der Orjanisationsaufbau für die Durchführung von Serienspielen und Meisterschaften. Off det Thema freu ick ma ja besonders!

    „Jeteilte Jahrhundert-Silvesterfeier“

Wie feiert det sich aus so untaschiedlichen Lebenssituationen? Fakt is, det sich mehr Menschen, als bei anderen Silvesterfeiern det Leben nahmen. Übaliefert is aba ooch, det in de Innenstadt de Luftschlangen von de Fenster und Balkone flogen. In de Lokale knallten de Sektpfropfen beim Souper zu übahöhten Preisen. Off’n Schlossplatz fuhren die Equipagen zur mitternächtlichen Jahrhundert-Gratulations-Cour vor. Die Post verjab Sonderstempel. Vom Rathausbalkon schmetterten die Fanfaren der Stadtkapelle. (Bürjameesta Kirschner hatte endlich Anerkennung durch den Kaiser erfahren.) Schlach Zwölf mischte sich in die Salutschüsse der aufjestellten Batterien im Lustjarten und in det Jedröhn der Kirchenglocken, der ohrenbetäubende Lärm tausender Mundharmonikas, Trompeten, Knarren und „Waldteufel“. Auch der Silvesterspaß der Studenten (und ansonsten ganz gesitteter Bürger), sich mit Spazierstöcken und Regenschirmen gegenseitig die Zylinder einzuschlagen, soll nicht jefehlt haben, in den Strömen festlich jekleideter Menschen, die sich in der Silvesternacht zwischen Brandenburger Tor, Schloss und Rathaus hin und her schoben; dabei „von der Polizei in erzwungener Bewegung gehalten“(unter ihnen die „Jeheimen“ der Politischen Polizei, die nicht feiern durften) und zu 133 Festnahmen wegen „Skandalmachens, groben Unfugs und Trunkenheit“ in der Innenstadt führte.

Zu würdigeren Feiern hatten sich de Mitjlieda der sozialdemokratischen Wahlvereine und der Arbeeta-Jesangs-und-Sportvereinigungen mit ihren Familien in den Berliner Außenbezirken zusammenjefunden. Bereits am Neujahrsmorgen konnte man sich ein Bild davon machen, wat sich det Staatsoberhaupt samt seiner Militärclique vom neuen Jahrhundert versprach, ein „glänzendes militärisches Schauspiel“ rollte ab: Neuweihung der Fahnen und Standarten des Gardekorps in der Hohenzollerschen Ruhmeshalle“ des Zeughauses. Wie schrieb doch die „Freisinnige Zeitung“ zum Jahrhundertwechsel: „Gerüstet und kampfbereit überschreitet die Zeit hastig die Schwelle“

Jemand., der fast zeitgleich mit Christa Wolf lebte und jejangen is und der üba de Teilung Deutschlands, von der Bundesrepublik her, dem Arbeeter-und-Bauern-Staat de Hand reichte, is der Liedermacher Franz-Josef Degenhardt. Nach 1989 meente er: „…in der DDR waren Leute aus dem revolutionären Teil der deutschen Arbeiterbewegung an der Macht, hier die traditionellen Eliten usw. Das war wichtig. Die inneren Verhältnisse in der DDR, etwa ob der Herr Müller in Leipzig Bananen kaufen konnte oder nicht, auch die fehlende Öffentlichkeit dort, haben mich nicht interessiert. Das war offensichtlich ein schwerer Fehler …“ Ick ess ja überhaupt keene Bananen mehr, seit ick drüba nachdenke, warum de Banane in Berlin billijer zu haben is als ne Schrippe! In dem Sinne wünscht euch eene jerechte Proletarische Weihnacht, und rutscht jut rin, in det Jahr 2012! Bleibt euch selber treu, falls ihr euch – in dem janzen bürjerlichen Scheiß – („Wer wird Gottschalk’s Nachfolger“??? u.v.a.m.) jefunden habt. Und lasst euch von de Schere, die zwischen arm und reich jejenwärtig „ihr Maul“ imma weita offreißt, nich zateiln! Vielleicht tröstet det euch, det det Christkind der erste Kämpfer für Jerechtigkeit war? Die wünscht euch jetzt und immerdar euer Heli Lichtstral

13. Dezember 2011 (ehemals „Pionierjeburtstag“)