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Arbeitersportvereine – „Sportsfreund Bismarck“?
 
Mir is diesmal irjendwie jar nich wohl. Ob det an de Frauen-Fußball-WM liejt? Wo de Mädels ohne den historischen Vorlauf der Männer janz schnell den gleichen kommerziellen Erfolg erzielen sollen??? Vielleicht sollt‘ ick ooch für’n Frauen-Fußball schreiben, denn würden die ganz sicher Meesta! Wie Traktor.
Von de villen Quellen des Arbeitersports is mia heute mehr nach eene relativ unerkannte zumute: Otto Eduard Leopold von Bismarck-Schönhausen, der – wenn ooch unjewollt – eenen gewalt(tät)ijen Beitrach zur Entwicklung des Arbeetersports leistete. Weeß Jott, keen Sportsmann – noch nich mal Demokrat! Eher een monarchistischer Konservativer, der de
Sozialdemokratie und de Jewerkschaftsbewegung als „Reichsfeind“ sah und noch vor sein’ „Sozialistenjesetz“ mit repressive Maßnahmen traktierte. (Ha! „Stralauer Fischzuch!“ Verbot
1873! Ha!) Logisch, det de „Bismarck’schen“ de Arbeeter aus ihre pieckfeinen Sportvereine ooch fernhielten. Otto von Bismarck een Meista des Kriejes! Schon im „Deutschen Kriej“
1866, den er als Ministerpräsident Preußens führen ließ, annektierte er die Jebiete der Kriegsjegner nördlich des Mains, nur det Königreich Sachsen nich; Österreich kickte er aus
dem Norddeutschen Bund, dessen Kanzler er wurde. (1867-1871) In sein’ zweeten Kriej, 1870, schaffte er es, det die Franzosen als erste anjriffen, und det die deutschen Länder sich
dem Angreifer als „einig Vaterland“ entjejenstellen mussten, und so konnte Otto B. nach dem Siej 1871 erster Reichskanzler des Deutschen Reichs werden, det er aus „Blut und Eisen
jeschmiedet“ hatte.
Die Sozialisten Bebel und Liebknecht büßten ihre Opposition jejen den „Französischen Krieg“ und ihre Solidarität mit de Pariser Kommune übrijens ab 1872 mit zwee Jahre Festungshaft. Aba der lassallsche ADAV und die SDAP überwanden ihre Jejensätze, und 1875 jelang die Vereinijung in Gotha zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP). Und kaum war der „Deutsch-Französische-Kriej“ vorbei, jing der Kanzler an den nächsten großen Kriej! Den, jejen de Arbeetervereinigungen im eijenen Land! Der allerdings ooch sein letzter wer’n sollte. Mit Unterstützung der Konservativen und Nationalliberalen im Reichstag und der Zustimmung der Bundesrates sowie der Unterschrift von de Kaiserfamilie, erhielt das „Sozialistengesetz“ am 22. Oktober 1878 Rechtskraft. Das Gesetz verbot sozialistische und sozialdemokratische Organisationen und deren Aktivitäten im Deutschen Reich. Aba de Verfoljung der Arbeetervertreter weckte die Solidarität großer Teile der Arbeiterschaft und führte seit 1881 zunehmend zu Wahlerfolgen für die formell als Einzelpersonen auftretenden Kandidaten der SAPD. (1881 nur 311.961 Stimmen, 1884 bereits 549.990 und 1887.763.128 Stimmen) Und sozusajen als „Tarnorganisationen“ entstanden regional verschiedene Arbeitersportvereine oder Naturfreundegruppen an Stelle der verbotenen Partei- oder Gewerkschaftsjruppen, in denen die politische Arbeit unter hohem Risiko fortjesetzt wurde. Neben de „Peitsche“ des Sozialistengesetzes ließ der Reichskanzler 1883 ooch det „Zuckerbrot“ der „Sozialversicherung“ servieren: „Mein Gedanke war, die arbeitenden Klassen zu gewinnen, oder soll ich sagen zu bestechen, den Staat als soziale Einrichtung anzusehen, die ihretwegen besteht und für ihr Wohl sorgen möchte.“ Ein wesentliches Ziel des Sozialistengesetzes, det de Sozialdemokraten bei den
Reichstagswahlen wenjer Stimmen erhielten, wurde nich erreicht – im Gegenteil: 1890 kamen de Sozialisten sogar off 1.427.000 Stimmen. Mit letzterem Ergebnis wurde die SAP, noch vor
ihrer Umbenennung 1890 in SPD, zum ersten Mal die wählerstärkste Partei des Reiches. Am 30. September 1890 wurde det „Sozialistenjesetz“ nich mehr verlängert. Der Kaiser musste Bismarck entlassen, und die deutsche Sozialdemokratie war trotz der Unterdrückung im eijenen Land zur weltweit einflussreichsten sozialistischen Partei ihrer Zeit jeworden.
Und in Deutschland jibt et Arbeetersportvereine! Und weil ihnen de Deutsche Turnerschaft zu nationalistisch war, schlossen se sich am 2. Mai 1893 in Gera zum Arbeiter-Turner-Bund
(ATB) zusammen. In de erste Arbeiter-Turner-Zeitung hieß es über seine Ziele: ,,Die freiheitlich gesinnten Turner werden eifrig mitarbeiten, ein altes verfaultes System mit Stumpf
und Stiel auszurotten, alte Ruinen niederzureißen, damit neues Leben aus ihnen erblühe. Unter diesen neuerrichteten Gebäuden erst werden wir ausrufen können: Wir haben Friede,
Freiheit, Recht. Keiner ist des andern Knecht.“
Und det kann ick ja nua untaschreiben!
Heli Lichtstral
13. Juli 2011